Unser Profilbild in den Sozialen Medien wechseln wir häufiger – warum gilt das kaum für unsere Präsentationsunterlagen? Der Anblick von etwas Neuem sorgt im menschlichen Gehirn unmittelbar für Aufmerksamkeit. Wird dem Betrachter beispielsweise das Bild eines Handys, von Schuhen, einer Uhr oder einem Auto gezeigt, wird Dopamin ausgeschüttet und das so genannte Belohnungszentrum springt an. Brain likes novelty – das Gehirn liebt eine Neuheit und Überraschung, sagt die Wissenschaft. Doch wie gelingt es, diesen Faktor für eine erfolgreich gestaltete Präsentation zu nutzen?
Sie lieben eine Überraschung? Dann befinden Sie sich in guter Gesellschaft, denn die meisten Menschen freuen sich über unvorhergesehene Aufmerksamkeiten mehr als über erwartete Geschenke oder gute Gaben. Teilnehmern einer Präsentation geht es nicht anders. Leider werden sie noch immer viel zu oft enttäuscht und sehen sich in Vorträgen und Seminaren, Meetings und Schulungen regelrechten Horrorfolien ausgesetzt, drögen Zahlenreihen und langweiligen Textwüsten. Von Überraschung keine Spur.
Unser Gehirn reagiert stark auf eine Überraschung, berichtet ein Forscherteam um Gregory Berns und Read Montague von der Emory University. Unerwartete Glücksmomente aktivieren das Belohnungszentrum im Gehirn und lassen uns wohlige Schauer über den Rücken laufen. Für ihre Studie hatten die Wissenschaftler die Gehirnaktivität von Freiwilligen während eines Geschmackstests gemessen. Ein computergesteuerter Apparat spritzte dabei den Probanden Wasser und Orangensaft in einer bestimmten Reihenfolge in den Mund. Die Reaktion des Gehirns auf den Gaumenschmaus konnte das Forscherteam mit Hilfe der Magnetresonanz sichtbar machen. Als Antwort auf die erfreulichen Stimuli änderte sich die Aktivität im Belohnungszentrum.
Bislang waren Wissenschaftler davon ausgegangen, dass das Gehirn am stärksten auf den Geschmack reagiert, der dem Menschen am besten gefällt. Daher überraschen die neuen Ergebnisse auch die Wissenschaftler. Bei dem Experiment zeigte das Lustzentrum des Gehirns (Nucleus accumbens) gerade bei einer unerwarteten Reihenfolge der Fruchtsaft- und Wasserspritzer die höchste Aktivität. Der Nucleus accumbens ist ein Teil des körpereigenen Belohnungssystems. Bei einem guten Essen beispielsweise oder beim Sex wird in dieser Gehirnregion der Botenstoff Dopamin freigesetzt, der ein Glücksgefühl hervorruft. Diese Wirkung erzeugen auch die meisten Genussmittel wie Koffein, Alkohol und Nikotin – genau wie die illegalen Drogen Heroin und Kokain.
Menschliche Vorliebe für Routine und Vertrautes
Das Gehirn belohnt eine Überraschung eher als erwartete. Das ist unabhängig davon, welchen Geschmack die Leute am meisten mögen. Das Belohnungszentrum im Gehirn antwortet also nicht ebenbürtig auf jede erfreuliche Substanz, sondern reagiert stattdessen viel stärker, wenn ein Vergnügen unerwartet ist. Bisher dachte man, Menschen lieben Routine und das Vertraute. Sehen wir plötzlich etwas Neues oder Unbekanntes, schrillen im menschlichen Körper die Alarmsirenen. Die Prognose „Alles sicher!“ ist jetzt nicht mehr unbedingt richtig, denn vereinfacht ausgedrückt: Das Neue könnte gefährlich sein – sogar lebensgefährlich. Alle Systeme werden sofort scharf geschaltet.
Die Natur hat das so eingerichtet, um Leben zu retten. Diese evolutionäre Maßnahme sorgt heute für Nervenkitzel und macht glücklich. Denn das Neue schenkt uns Dopamin, ein überwiegend erregend wirkender Neurotransmitter des zentralen Nervensystems. Er steckt hinter unseren geheimsten Wünschen: Liebe, Lust, Begierde und Leidenschaft. Wissenschaftler von der Universität Bonn haben Anfang des Jahrtausends herausgefunden, dass bereits Fotos von Sportwagen gewisse Belohnungsregionen des Gehirns aktivieren, in denen typischerweise Dopamin ausgeschüttet wird.
Überraschende Präsentationen gestalten
Und in einer Präsentation? Wie bemerken Ihre Teilnehmer überhaupt das Neue? Machen Sie sich als Referent klar: Intelligente Inhalte brauchen eine emotionale Umsetzung. Kommunizieren Sie rationale Fakten emotional. Daten führen zu Beurteilungen, nicht zu Entscheidungen. Wenn Logik auf Emotion trifft, werden Botschaften nicht nur gehört, sondern auch verstanden. Hier kommen die besten drei Strategien:
1. Arbeiten Sie mit Bildern.
Je emotionaler und bunter die Bilder auf Ihren Slides sind, desto größer die Wahrscheinlichkeit, dass die Teilnehmer es wahrnehmen. Wenn Sie Motive wählen, die die Sinne und die Gefühle ansprechen, können Sie das an den Gesichtern der Teilnehmer ablesen. Mehr noch: Sie werden Ihre Teilnehmer beeindrucken und die werden mit Sicherheit über Sie reden, es begeistert weitererzählen.
2. Zeigen Sie große Buchstaben
Boulevardmedien wie etwa die BILD-Zeitung nutzen für ihre Schlagzeilen große Buchstaben. Auch bei der Plakatwerbung zählt Größe. Der Grund ist ganz einfach: Wenn Wörter in höherer Schriftgröße präsentiert werden, reagieren Leser schneller, länger und emotionaler. Bisher hatten Forscher diesen Effekt nur bei Bildern oder gefühlsbetonten Gesichtern beobachtet. Forscher der Humboldt-Universität Berlin und der Uni Göttingen haben nun wissenschaftlich bewiesen: Große Buchstaben wecken große Gefühle. Gedruckte Wörter erzielen mit steigender Schriftgröße eine höhere Aufmerksamkeit. Dabei machte es keinen Unterschied, ob die emotionalen Begriffe positiv oder negativ waren.
3. Kommunizieren Sie Klartext
Je punktgenauer die Botschaften auf Ihren Präsentationsfolien sind, desto besser. Auf der Suche nach der Botschaft ist schon mancher Zuhörer verloren gegangen. Vermeiden Sie deswegen endlose Wortwüsten. Statt ganzer Dokumente oder ellenlanger Stichpunktlisten nutzen Sie besser Schlagworte. Je weniger auf einer Folie auftauchen, desto größer ist die Wirkung. Das hat gleichzeitig einen positiven Effekt auf die Lesbarkeit. Denn weniger Worte lassen deutlich größere Buchstaben zu. Damit ist Ihre Botschaft auch in der letzten Reihe unverkennbar.
4. Sorgen Sie für einen ansprechenden Einstieg
Jeder Schauspieler, jeder Redner, jeder gute Referent weiß, wie entscheidend das erste Wort, der erste Satz ist. Der Anfang setzt Zeichen und Maßstäbe. Am Anfang ist die Aufmerksamkeit am größten. Enttäuschen Sie deswegen Ihre Teilnehmer nicht mit einer langweiligen Einleitung. Es könnte sonst der Eindruck entstehen, dass es so weiter geht. Oft genug laufen die fast immer gleichen Präsentation gleich ab. Dabei eignet sich der Einstieg besonders für eine Überraschung. Machen Sie es spürbar anders als Ihr Publikum es erwartet. Versetzen Sie Ihr Publikum in Erstaunen – zum Beispiel mit einem Warmup, das zunächst einmal nichts mit Ihrem Thema zu tun hat. Oder drehen Sie einmal die übliche Reihenfolge um: Beginnen Sie mit einer rhetorischen Frage zum Thema, stellen Sie sich dann vor und begrüßen Sie anschließend das Publikum. Möglich ist auch, mit Musik zu beginnen. Der Text oder die Melodie sollte einen Bezug zu Ihrem Präsentationsziel haben. Oder bringen Sie etwas mit, das man berühren kann: Reichen Sie etwas herum, das man riechen oder schmecken kann. Manchmal lässt sich auch eine Problematik szenisch darstellen. Oder Sie geben Ihrem Publikum eine praktische Aufgabe an die Hand, die es lösen muss.
5. Erzeugen Sie Spannung
Spannung lebt davon, dass das Publikum nicht nur beobachtet, sondern mitfiebert und vorausdenkt. Dazu muss es Dinge erahnen und die spätere Lösung aus mehreren Informationshappen konstruieren können. Mit der Auflösung wird der Zuschauer dann entweder in seiner Annahme bestätigt – was ihn freut – oder mit einer anderen Lösung überrascht. Diese muss für ihn jedoch logisch sein. Leider erlebt man bei Präsentationen oft genau das Gegenteil: Das Highlight wird oft schon auf der Startfolie oder Agendafolie vorweggenommen. Wie in einer Facharbeit ist der Rest nur noch die Auflistung aller Fakten, die dieses Highlight rechtfertigen. Das erzeugt in einer Präsentation nur eins: öde Langeweile. Sie erzeugen keine Spannung, wenn Sie das, was Sie mit Ihrer Präsentation darstellen wollen, als Aussage formulieren. Der Spannungsbogen entsteht dann, wenn Sie bis zum Schluss offenlassen, zu welchem Ergebnis Sie kommen werden. Ihr Publikum erwartet etwas Bestimmtes, aber weiß nicht genau, wann dies eintritt und was es ist.
6. Wecken Sie Neugierde
„Ich habe keine besondere Begabung, sondern bin nur leidenschaftlich neugierig“, schrieb Albert Einstein. Neugierde machte er als größte Motivation für seine Erfolge verantwortlich. Neugierde ist einer der größten Triebe. Neugierde ist eine menschliche Grundeigenschaft. Aktiv neue Situationen aufzusuchen ist ein unbezähmbarer Drang. Neugierde ist der Hunger der Seele – darauf, dass etwas Besonderes passieren wird. Für Giacomo Casanova bestand die Liebe zu drei Viertel aus Neugier. Wir brauchen den Appetit der Neugier, um in den Genuss neuer Entdeckungen zu kommen. Die Neugier ist der Docht in der Kerze des Lernens und für Galileo steht die Neugier immer an erster Stelle eines Problems, das gelöst werden will. Neugier wecken Sie über die Möglichkeitsform (Konjunktiv) und nicht über die demonstrative Selbstsicherheit. „Was dieser Kugelschreiber mit Ihrem nächsten Urlaub zu tun hat“ ist ein eher simpler Einstiegssatz in eine Präsentation – und er wird sofort die Fantasie der Teilnehmer anregen. Ein ungewöhnlicher Einstieg allein hält nicht die Aufmerksamkeit für die gesamte Präsentation aufrecht. Bauen Sie deswegen mehrere Spannungsmomente in Ihre Präsentation ein.
Fazit
Es ist gar nicht so schwer, unsere Teilnehmer und Zuhörer in einer Präsentationssituation glücklich zu machen. Ab und zu eine kleine Überraschung und schon springt das Belohnungszentrum im Gehirn an und schüttet Glücksbotenstoffe aus. Darin liegt auch das Erfolgsgeheimnis von SMS-Nachrichten oder das häufige Abrufen der Emails: Es könnte ja etwas (überraschend) Positives dabei sein. Bedenken Sie bei jeder Präsentation, dass wir in einer Entertainment-Welt leben, in der Internet und Medien, Smartphones und Fernsehen, Apps und Content unsere Sinne ständig auf Trab halten. Eine monotone Präsentation wird vom Körper deswegen gerne als Ruhepause oder Schlafgelegenheit genutzt. Hieven Sie die müden Geister daher mit Ihrer Präsentation aus dem Energieloch und sorgen Sie für eine Überraschung.
Quelle: Uwe-Jürgen Günter-von Pritzbuer