Kommentar von Chefredakteur Heinz Klaus Mertes
Wie nach Hitchcock-Dramaturgie: Die größte Spannung herrscht, bevor etwas passiert. Mit dem vor dem Himmelfahrtstag geschickt unter die Leute gebrachten Referenten-Entwurf des lange über den parlamentarischen Wassern schwebenden Stützungspakets für die deutsche Lebensversicherung entweicht der über Monate angehaltene Atem: Bei den einen mit einem letzten Protest, bei Versicherern, die eine solche „Rückrufaktion“ (Wirtschaftswoche) nicht nötig hätten, mit einem halbsolidarischen Ächzen und bei denen, die schwächeln, mit einem Seufzer der Erleichterung.
Das oben gezeichnete Spektrum spiegelt sich in den Reaktionen, die VWheute in den 48 Stunden nach Bekanntwerden der Reform-Laufrichtung einholte und die sich in fast allen Rubriken des heutigen Tagesreports wie in einer Brennpunktsendung wiederfinden.
Nachdem der Schuss gefallen ist, werden sich am Ende alle Divergenzen der Räson beugen (müssen), die von der Gestaltungsmacht der Großen Koalition ausgeht. Die zeigt sich nämlich mit allen Einwirkungsmöglichkeiten auf Manager, Macht und Medien in dieser Frage unerschütterlich bei diesem Vorhaben. Die rücksichtslos kurzfristig angesetzte Anhörung der Verbände heute – ein bloßer Durchlaufposten. Die Langzeit-Erfahrung der SPD-Fraktionsvorsitzenden-Legende Peter Struck, formuliert ausgerechnet auf einer GDV-Jahrestagung, dass noch nie ein Gesetz so aus der parlamentarischen Maschinerie herausgekommen sei, wie es hineingegangen ist, wird sich hier eher nicht bewahrheiten. Zu komplex festgezurrt ist der Wechselbalg aus Geben und Nehmen in dem Entwurfspapier. Der Terminplan bis zur Kodifizierung im Gesetzesblatt noch vor der Sommerpause steht eisern.
Also Causa finita? Wenn da die Versicherungskunden nicht wären, denen genommen werden muss. In welchem Umfang, wie transparent berechnet, mitgeteilt und im Einzelfall nachvollziehbar, dürfte zu anhaltenden Aufschreien über die Lautsprecher der Verbraucherverbände, der Medien und – notabene – der Mini-Opposition führen. Diese Streuwirkung könnte sich zu einem „Leck im Bootsrumpf“ der Reputation der ehedem so unangefochtenen deutschen Lebensversicherung entwickeln.
Causa finita? Gesetzlich demnächst vielleicht – Chapeau denen, die eine solche Neuordnung unter dem Stichwort Bewertungsreserven betrieben haben. Aber sodann muss umgesetzt werden, was man sich auch an Nebenwirkungen eingehandelt hat – aktuarisch sauber und fair, wie es die Eingangsbegründung des Gesetzesentwurfs postuliert, gerichtsfest und überzeugend kommuniziert, und zwar von jedem einzelnen Unternehmen.
Das wird Arbeit machen – vielleicht länger, als das böse Zinstief anhält.