Die Nachfolgeproblematik im deutschen Mittelstand erfordert dringenden Handlungsbedarf. Durch frühzeitige Kommunikation und Offenheit können anfängliche Vorbehalte abgebaut und eine zukunftsfähige Ausrichtung des Unternehmens schnell erreicht werden. Realkapital setzt sich aktiv dafür ein, einen neuen, starken Mittelstand zu formen und die Vielfalt und Innovationskraft Deutschlands zu erhalten. Ein Interview mit dem Gründungsgesellschafter Torsten Lucas.
Die KfW zeichnete kürzlich ein alarmierendes Bild bezüglich der Nachfolge-Probleme im deutschen Mittelstand. Wie schätzen Sie die aktuelle Situation ein?
Diese Einschätzung teilen wir. Das Problem ist für Deutschland grundsätzlich nicht neu. Diese Entwicklung war bereits seit längerer Zeit aufgrund verschiedener Faktoren abzusehen. Die Krisen der letzten Jahre und auch gesellschaftliche Veränderungen haben die Herausforderung im Grunde nur weiter verschärft. Fast die Hälfte aller Betriebe steht in den kommenden 10 Jahren aus Altersgründen ein Führungswechsel bevor. Bereits heute steht fest, dass nicht genügend Nachfolgende für die zur Übergabe anstehenden Unternehmen vorhanden sein werden. Für Deutschland hat das Gelingen dieses Transformationsprozesses jedoch eine hohe wirtschaftliche und gesellschaftliche Bedeutung.
Was muss aus Ihrer Sicht geschehen, um die Situation schnell zu verändern? Wie würden sich worst-case-Szenarien auswirken?
Schnelle Lösungen kann und wird es aufgrund der demographischen Entwicklung nicht geben. Finanzielle Anreize und Förderprogramme könnten allenfalls kurzfristig unterstützen. Was wir benötigen, ist ein langfristig ausgerichtetes und wirtschaftsfreundliches Umfeld. Eine immer stärker werdende Bürokratie und Regulatorik belasten die Unternehmen und Unternehmer stark – Planungssicherheit ist durch die unruhigen Zeiten und teils impulsgetriebene Politik der letzten Jahre nicht mehr gegeben. Auch muss sich gesellschaftlich etwas ändern und Unternehmertum stärker in die Mitte dieser rücken. Sollte es uns nicht gelingen, den bevorstehenden Aderlass im Mittelstand abzumildern, dann wird Deutschland einen Großteil seiner Wirtschafts- und Innovationskraft einbüßen und unsere Wirtschaftsstruktur von Ketten und Konzernen dominiert werden. Die den deutschen Mittelstand und unsere Arbeitsplätze ausmachende Vielfalt wäre dann auf ewig verloren.
Mit realkapital setzen Sie auf einen sehr regionalen Ansatz. Was sind die Gründe hierfür?
Wir widmen uns dem inhabergeführten kleineren Mittelstand, der typischerweise durch ein Raster fällt. Die Unternehmen sind oft zu teuer und für den operativen Nachfolger aus dem Unternehmen nicht finanzierbar. Gleichzeitig sind sie zu klein für die herkömmlichen Beteiligungsgesellschaften. Aufgrund ihrer Unternehmensgröße sind die Unternehmensstrukturen und -kompetenzen nicht so gut ausgebildet wie bei größeren Unternehmen. In der Gruppe bündeln wir Kompetenzen wie das Recruiting, Marketing, Controlling, etc. Unsere Vision ist ein neuer, gemeinschaftlich getragener Mittelstand mit intensiver Vernetzung. Der Wirkungsgrad dieses Konzepts ist in der Region am höchsten.
Vor welchen Herausforderungen stehen Sie in der Findung passender Nachfolger und worauf legen auch Abgebende besonders wert? Auch mit Blick auf ausländische Akteure?
Wir stellen fest, dass immer weniger Menschen bereit sind, unternehmerische Verantwortung zu übernehmen. Für die verbleibenden Kandidaten bieten wir allerdings einen starken Rückhalt und ein Maximum an finanzieller, strategischer und operativer Unterstützung. Dadurch werden potenzielle Nachfolger von unserem Konzept und den Rahmenbedingungen überzeugt. Den abgebenden Unternehmern kommt es meist nicht auf den letzten Euro im Kaufpreis an. Vielmehr geht es um den Erhalt ihrer Lebenswerke und darum, dass die Mitarbeiter eine gute neue Heimat finden. Die regionale Nähe und Vernetzung -auch zu gleichgesinnten weiteren Unternehmern unserer Gruppe- ist dabei ebenfalls ein großes Argument – insbesondere, wenn ausländische Investoren oder Konzerne und Ketten als potenzielle Käufer eine Rolle spielen.
Kann es aus Ihrer Sicht bei externen Nachfolgelösungen auch negative Effekte geben? Wie begegnen Sie diesen?
Grundsätzlich ist jede Nachfolge ein Change-Prozess. Je ungewohnter die Nachfolgelösung zunächst erscheint, desto größer mögen auch die Vorbehalte sein. Dem begegnen wir mit frühzeitiger Kommunikation, hoher Offenheit und Transparenz. Die Praxis zeigt, dass nach anfänglicher Verunsicherung doch meist die Zuversicht und Zufriedenheit, dass eine nachhaltig tragfähige Lösung für das Unternehmen gefunden wurde, überwiegt.
Natürlich dauert die Einarbeitung des von außen kommendem Geschäftsführers auch länger als bei einem Insider. Dafür bringt dieser aber auch neue Impulse mit ein. In Kombination mit unseren Shared Services in den Bereichen Personal, Marketing, Buchhaltung und der Rückendeckung durch unsere Beteiligungsmanager gelingt es jedoch meist sehr schnell, eine Akzeptanz herzustellen und zügig anzufangen, an der zukunftsfähigen Ausrichtung des Unternehmens zu arbeiten.