Logistiker und Onlinehändler müssen mit innovativen Lösungen punkten
München –
– Deutscher E-Commerce-Paketmarkt verdoppelt sich in den kommenden zehn Jahren
– Skalierbare Same-Day-Lösungen stehen kurz vor dem Durchbruch
– Logistikdienstleister und E-Commerce-Player müssen jetzt die richtigen Strategien entwickeln
Logistik wird zunehmend zum entscheidenden Erfolgsfaktor für E-Commerce- und Multi-Channel-Unternehmen. Weltweit führende Onlineshops optimieren ihre Serviceleistungen kontinuierlich auf der Suche nach Differenzierung. Dabei bauen sie neben Fulfillment- sogar Logistikkompetenz auf. Logistikdienstleister profitieren damit zwar von hohen Wachstumsraten, müssen ihre Produkte allerdings mehr und mehr umstellen. Wollen sie im Rennen um die Logistik für den Onlinehandel von morgen vorne mit dabei sein, ist rasches Handeln gefragt. Multi-Touchpoint-Auslieferoptionen und flexibles Routing sind ebenso erforderlich wie innovative Same-Day-Lösungen. Dies sind Ergebnisse der jüngsten Oliver Wyman-Analyse zu E-Commerce-Logistik.
Das E-Commerce-Geschäft boomt. Ob Urlaubsreisen oder Konzertkarten, Fernseher oder Notebooks, Kleidung oder Schmuck, Bücher oder DVDs – Onlinebestellungen gehören längst zum Alltag und nehmen stetig zu. Allein in Westeuropa verzeichnet die E-Commerce-Branche jährliche Wachstumsraten von zehn bis 15 Prozent. In Deutschland gingen 2012 fast 30 Milliarden Euro Umsatz auf Internetkäufe zurück – fast doppelt so viel wie im Jahr 2005. Bereits heute werden hierzulande mehr als ein Drittel aller Reisebuchungen und Ticketkäufe online getätigt. Im Bereich Mode liegt der Anteil bei 35 Prozent, Bücher kommen auf 24 Prozent, Computer und Zubehör auf 15 Prozent – Tendenz weiter steigend.
Dies wirkt sich auf den Paketversand aus. 2013 wird sich das gesamte Sendungsvolumen im B2C-Segment in Deutschland auf rund 800 bis 850 Millionen Pakete belaufen. Bis 2023 treibt der Onlinehandel das Wachstum bei B2C-Warenströmen deutlich an: Mit neun Prozent Zuwachs pro Jahr machen E-Commerce-Sendungen dann über 85 Prozent des B2C-Paketmarkts aus. Damit wird sich der deutsche E-Commerce-Paketmarkt in den kommenden zehn Jahren mehr als verdoppeln und auf über 1,3 Milliarden Pakete pro Jahr ansteigen. „E-Commerce gibt in der KEP-Branche zunehmend den Ton an“, erklärt Michael Lierow, Partner bei Oliver Wyman. „Dadurch können Logistiker ihr Geschäftsfeld ausbauen, zugleich aber nehmen die Anforderungen drastisch zu. Der Wettbewerb wird schärfer und erfordert Innovation und Schnelligkeit.“
Höhere Kundenansprüche
E-Commerce-Giganten wie Amazon oder Asos haben im Laufe der Jahre ihren Auslieferungsservice kontinuierlich verbessert. Damit haben die Unternehmen auf Kundenwünsche reagiert, aber auch den Markt weiterentwickelt und die Messlatte immer höher gelegt. Kunden wollen zunehmend selbst bestimmen, wann und wo ihnen die georderte Ware zugestellt wird. Auch möchten sie bei Bedarf Ort und Zeit der Lieferung flexibel ändern können. Und schließlich erwarten sie ein unkompliziertes Retouren-Handling, das nicht nur kostenfrei ist, sondern auch die Rückgabe von Waren in Filialen oder sogar deren Abholung von zu Hause einschließt.
Dies bringt nicht nur viele Webshops, sondern auch Logistikdienstleister in Zugzwang. Denn die schnelle und flexible Logistik wird immer mehr zum entscheidenden Erfolgsfaktor. Ist es heute in Deutschland und Großbritannien nahezu Standard, dass die Auslieferung am Folgetag der Bestellung erfolgt, heißt es künftig, die Ware noch am Bestelltag zu liefern – und das ohne wesentlich höhere Preise. Erste Ansätze sind schon erkennbar: In den USA, in Deutschland und in Großbritannien ermöglichen Dienstleister wie Shutl oder Tiramizoo die Bündelung von Kurierdiensten. In Köln testet DHL derzeit in Kooperation mit dem Onlinelebensmittelhändler Gourmondo die Auslieferung am Bestelltag. Und nach dem Ausbau der Regionallager durch Amazon steht die Ausweitung des „Evening Express“ in sogenannte Same-Day-Lieferung für viele Städte in Deutschland kurz bevor.
Diese Erhöhung der Liefergeschwindigkeit ist kein triviales Unterfangen. E-Commerce-Unternehmen stellen ihre Lagerlogistik von zentral auf regional um und arbeiten an Direktüberstellungen in die Auslieferdepots von Logistikern. Die Bedeutung von Outbound-Sortierung und Hauptlauf wird über die Zeit sinken und kann zu potenziellen Auslastungsproblemen der Depots und Netzwerke führen. Einen großen Vorteil haben Multi-Channel-Unternehmen, die teilweise schon über Regionallager in der Nähe ihrer Ladenflächen verfügen. Logistiker hingegen brauchen jetzt besonders ein hohes Maß an Flexibilität und Agilität in puncto letzte Meile, um die Vielzahl von Bestellungen noch am gleichen Tag zum Kunden bringen und dabei ihre Wettbewerbsfähigkeit bewahren zu können.
Onlineshops bestechen durch Größe
Zugleich steigt der Druck auf die Logistikdienstleister, die Auslieferungskosten zu senken. Führende Onlinehändler haben inzwischen Größen erreicht, die ihre Verhandlungsposition gegenüber den Logistikern klar verbessern. Zudem erwarten Kunden zunehmend die Einpreisung von Auslieferungskosten in das Produkt.
Und Logistikunternehmen droht noch mehr Ungemach. Speziell große E-Commerce-Player denken darüber nach, bestimmte Teile der Auslieferungslogistik in Eigenregie zu übernehmen. So hat Amazon in den USA und in Großbritannien eigene Packstationen eingeführt. In Zukunft, so die aktuelle Oliver Wyman-Analyse, werden noch mehr Onlineshops besonders in Städten rund um die Auslieferungslogistik eigene Lösungen entwickeln, wo sich dies rechnet und gegenüber Wettbewerbern differenziert. „Gerade ihre Innovationsfähigkeit hat den E-Commerce-Unternehmen ihre heutige Marktmacht beschert“, betont Lierow. „Sollte sich durch innovative Logistikkonzepte eine nachhaltige Differenzierung ergeben, werden sie diese Chance sofort nutzen.“
Gezielte Strategien tun not
Um mit den E-Commerce-Unternehmen Schritt halten zu können, müssen insbesondere Transportlogistiker rasch gezielte Strategien entwickeln und umsetzen. Dabei reicht es nicht mehr, nur günstigen Service anzubieten. Vielmehr gilt es, mit innovativen Lösungen zu punkten. Voraussetzung dafür sind Flexibilität und die Fähigkeit, Marktentwicklungen zu antizipieren. Dabei sollten Logistikdienstleister ihre Position als letzter „Touchpoint“ zum Kunden konsequent nutzen, um den eigenen Wert für die Onlinehändler zu erhöhen.
Dies können sie tun, indem sie diversifizierte Auslieferungsservices anbieten, die den Kundenansprüchen gerecht werden. Dazu gehören Abholstationen, die 24 Stunden geöffnet haben und zentral in den Innenstädten liegen oder mit dem PKW gut erreichbar sind. Dabei kann auf bestehende Infrastruktur wie Tankstellen zurückgegriffen werden. Auch werden in kurzer Zeit ein- bis zweistündige Zustellfenster und flexible Zweitzustellung an einen vom Kunden gewünschten Ort Standard sein. Logistiker werden zudem auf Hochtouren an der Königsdisziplin, einem skalierbaren Same-Day-Service, arbeiten. Das erfordert eine Neuausrichtung der Produktentwicklung auf innovative Lösungen sowie die weitere Flexibilisierung des Netzwerks mit Fokus auf die Auslieferfähigkeiten und -orte.
Die nächsten zwölf Monate entscheiden
Die Kaufgewohnheiten entwickeln sich weiter und mit ihnen steigen die Erwartungen der Endkunden. E-Commerce-Player wie Logistiker müssen handeln. Angesichts der Dynamik im E-Commerce-Handel und den wachsenden B2C-Anteilen im Paketgeschäft sind innovative Lösungen für Logistikdienstleister das Gebot der Stunde. Die Zeit drängt. „Schon in den nächsten zwölf Monaten werden die ersten E-Commerce-Unternehmen Logistikdienstleistungen aufbauen und anbieten“, so Lierow. „Mit business as usual kommen die Logistiker nicht weiter. Sie brauchen klare Strategien, die Mehrwert für die Endkunden und damit für die E-Commerce-Unternehmen generieren.“
ÜBER OLIVER WYMAN
Oliver Wyman ist eine international führende Managementberatung mit weltweit 3.000 Mitarbeitern in mehr als 50 Büros in 25 Ländern. Das Unternehmen verbindet ausgeprägte Branchenspezialisierung mit hoher Methodenkompetenz bei Strategieentwicklung, Prozessdesign, Risikomanagement und Organisationsberatung. Gemeinsam mit Kunden entwirft und realisiert Oliver Wyman nachhaltige Wachstumsstrategien. Wir unterstützen Unternehmen dabei, ihre Geschäftsmodelle, Prozesse, IT, Risikostrukturen und Organisationen zu verbessern, Abläufe zu beschleunigen und Marktchancen optimal zu nutzen. Oliver Wyman ist eine hundertprozentige Tochter von Marsh & McLennan Companies (NYSE: MMC). Weitere Informationen finden Sie unter www.oliverwyman.de. Folgen Sie Oliver Wyman auf Twitter @OliverWyman.