Lotsengewerkschaft nimmt erste Zehn-Millionen-Hürde
Frankfurt/Main (dapd). Der Flughafenbetreiber Fraport und die Fluggesellschaften Lufthansa und Air Berlin sind mit einer Millionen-Schadenersatzforderung gegen die Gewerkschaft der Flugsicherung gescheitert. Für Umsatzeinbußen der Unternehmen beim Ausstand der Vorfeldleute auf dem Rhein-Main-Airport im Februar 2012 sei die Lotsenvereinigung nicht haftbar zu machen, entschied das Frankfurter Arbeitsgericht am Montag. Alle Prozessbeteiligten messen dem Urteil politische Bedeutung für das Streikrecht zu. Die Kläger wollen letztinstanzlich vors Bundesarbeitsgericht in Erfurt.
Wegen eines neuntägigen Ausstands der Lotsen auf dem Vorfeld und eines angekündigten, dann aber abgesagten Unterstützungstreiks der Towerleute waren in Frankfurt vor gut einem Jahr 1.700 Flüge ausgefallen. Der Arbeitskampf zwischen der Gewerkschaft der Flugsicherung (GdF) und Fraport endete im März 2012 mit der Einigung auf neue Tarifverträge. Zuvor hatte ein Gericht den Streik beendet, weil Detailforderungen der Gewerkschaft gegen die Friedenspflicht verstießen. Die Gewerkschaft sagte daraufhin auch den geplanten Unterstützungsstreik im Flughafentower ab. Die Airlines waren von den Auswirkungen des Arbeitskampfs zwischen Gewerkschaft und Fraport nur mittelbar betroffen.
Fraport will fünf Millionen Euro, Lufthansa vier Millionen
Die Fluggesellschaften forderten jetzt aber wegen ausgefallener Verbindungen und Umbuchungskosten rund vier Millionen Euro von der GdF und wollen grundsätzlich klären lassen, ob in einem Arbeitskampf unbeteiligten Dritten Schadenersatz zusteht. Fraport will von der Gewerkschaft fünf Millionen Euro, weil lediglich die Gehälter von 200 Vorfeldleuten Gegenstand des Tarifkonflikts waren und der – wegen des Friedenspflichtverstoßes rechtswidrige – Streik damit auch unverhältnismäßig gewesen sei. Das war er nicht, urteilte nun in erster Instanz das Frankfurter Arbeitsgericht.
Ohne die Detailfehler bei der Aufkündigung des Tarifvertrags durch die GdF wäre der Streik rechtmäßig gewesen und letztlich nicht anders verlaufen, begründete der Vorsitzende Richter Matthias Kreutzberg-Kowalczyk seine Entscheidung. Der Ausstand sei auch „weit davon entfernt“ gewesen, die betroffenen Unternehmen in ihrer Existenz zu gefährden. Da der Flugbetrieb während des Arbeitskampfs zu 85 bis 90 Prozent habe aufrechterhalten werden können, sei überdies das Gemeinwohl nie gefährdet gewesen. Schon aus diesen Gründen ergebe sich für die Kläger kein Recht auf Schadenersatz, urteilte das Gericht.
Gericht: GdF hat „Fernwirkungen“ nicht in der Hand
Zusätzlich Folgen für den Flughafenbetrieb durch einen bloß angekündigten Unterstützungsstreik im Tower seien gar nicht feststellbar, sagte Kreutzberg-Kowalczyk. Der Lufthansa-Konzern wiederum habe auch deswegen kein Recht auf Schadenersatz, weil die „Stoßrichtung des Streiks“ nicht gegen ihn gerichtet gewesen sei. „Das Geschehen war nicht vergleichbar mit einer Blockade, einer Belagerung eines Werkgeländes“, erklärte der Richter. Die GdF habe Fraport lediglich Arbeitskraft entzogen und „Fernwirkungen“ gar nicht in der Hand gehabt.
Die drei Kläger betonten nach dem Urteil in einer gemeinsamen Presseerklärung, die aktuelle gerichtliche Auseinandersetzung berühre „Kernfragen des Arbeitskampfrechts, der Betroffenheit von nicht an einem Streik beteiligten Unternehmen“ und die Problematik, dass einzelne Personalgruppen in Schlüsselpositionen „maximale Schäden“ bewirken könnten. Die Unternehmen bekundeten ihre Absicht, das Verfahren vors Bundesarbeitsgericht zu bringen. Für die GdF sagte deren Anwalt David Schäfer, ein Grundsatzurteil in Erfurt sei für alle Beteiligten politisch wünschenswert.
Wegen der zu erwartenden höherinstanzlichen Entscheidungen hatte das Frankfurter Arbeitsgericht die Vollstreckung einer eventuellen Schadenersatzzahlung bereits vor dem Urteil ausgesetzt.