Pferdefleisch in acht Prozent der verdächtigen Proben entdeckt
Berlin (dapd). In acht Prozent der Proben von verdächtigen Fertiglebensmitteln ist auch Pferdefleisch gefunden worden, das nicht auf der Verpackung stand. Bis Mittwochvormittag seien bundesweit 533 Proben kontrolliert und in 40 Fällen auch Pferdefleisch entdeckt worden, hieß es im Bundesverbraucherministerium. Dessen Beamte gehen inzwischen von systematischen Betrügereien aus. Das Pferdefleisch stamme vermutlich aus mehr als einer Bezugsquelle.
In den kommenden Tagen werde sicher noch in weiteren Proben nicht deklariertes Pferdefleisch gefunden, erklärte ein Experte. Aber die „große Welle“ an Entdeckungen sei vermutlich vorbei. Europaweit nachgewiesen wurde der Etikettenschwindel mit Pferdefleisch inzwischen nicht nur in Hamburger und Fertig-Lasagne, sondern auch in Dosen-Ravioli, Rindergulasch in Dosen und in Tortellini verschiedener Hersteller.
Bei bis zu einem Prozent Beimengung gehen die Kontrolleure noch von einer Kontamination während des Herstellungsprozesses aus, auch wenn Pferde- und Rindfleisch eigentlich nicht in denselben Anlagen verarbeitet werden. Doch die deutschen Untersuchungsämter fanden fünf bis 50 Prozent. „Wir gehen von bewussten Beimengungen aus“, hieß es im Bundesverbraucherministerium.
In Deutschland wurde aber das Tierarzneimittel Phenylbutazon nicht nachgewiesen, obwohl 18 Proben speziell darauf getestet wurden. In Großbritannien war dieses Medikament in gekühltem Pferdefleisch gefunden worden. Phenylbutazon ist ein Schmerzmittel, das als Dopingmittel missbraucht wird. Es darf nicht bei Tieren angewendet werden, die später als Lebensmittel dienen.
Bundesverbraucherministerin Ilse Aigner griff die großen Handelskonzerne wegen ihrer Reaktion auf den Pferdefleischskandal an. „Es kann nicht sein, dass die Handelsmultis ihre Verantwortung leugnen und sich jetzt als Opfer darstellen. Das ist dreist“, sagte die CSU-Politikerin der „Bild“-Zeitung . Auch große Handelskonzerne müssten jederzeit wissen, was in ihren Produkten sei und woher es komme.
Aigner: „Betrug am Verbraucher“
„Die Unternehmen sind für die gesamte Lebensmittelkette verantwortlich“, betonte Aigner auch im Landwirtschaftsausschuss des Bundestags. „Falsch etikettierte Lebensmittel sind nicht verkehrsfähig und dürfen nicht verkauft werden.“ Undeklariertes Pferdefleisch in Lebensmittel sei ein „Betrug am Verbraucher“.
Die SPD warf Aigner vor, gerade ihr Verbraucherinformationsrecht verhindere, dass die Behörden die Namen von Pferdefleischprodukten und Herstellern nennen dürften. „Noch letztes Jahr hat Ilse Aigner abgelehnt, die Herkunft von Fleisch zu kennzeichnen“, kritisierte die verbraucherpolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion, Elvira Drobinski-Weiß.
Diese Kritik treffe ins Leere, hieß es in Aigners Ministerium. Keiner der Beteiligten wolle Pferdefleischprodukte auf dem Markt haben. Alle zögen an einem Strang. Es gebe keine Anhaltspunkte dafür, dass Pferdefleischprodukte zwar erkannt, aber nicht öffentlich gemacht wurden.
Neue Webseite soll Verbrauchern helfen
Wer als Verbraucher wissen will, ob in seiner Kühltruhe oder im Kühlschrank falsch gekennzeichnete Produkte mit Pferdefleisch lagern, findet jetzt Hilfe im Internet. Ab sofort stehen unter www.pferdefleisch-rueckrufe.de die gebündelten Informationen der für die Lebensmittelüberwachung zuständigen Bundesländer im Netz, wie das Bundesverbraucherministerium mitteilte. Die Webseite werde regelmäßig aktualisiert.
In Babynahrung von Hipp und Alete ist kein Pferdefleisch gekommen. Das versicherten beide Unternehmen auf dapd-Anfrage. „Wir garantieren, dass in Hipp Babynahrung ausschließlich die Fleischsorten eingesetzt werden, die wir auf dem Etikett nennen“, sagte Unternehmenssprecherin Sandra von Hohenlohe. Alete habe unmittelbar nach Bekanntwerden des Skandals alle Produkte auf Pferde-DNA überprüft, sagte Sprecher Alexander Antonoff in Frankfurt am Main.