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Prüfung des Einkaufs im Mittelstand

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Zunehmende Compliance-Anforderungen, Digitalisierung und Internationalisierung machen es notwendig, dass sich der Einkauf in mittelständischen Unternehmungen hinterfragt und neu aufstellt. Der folgende Artikel zeigt auf, wie eine ganzheitliche Prüfung des Einkaufs helfen kann, sicherzustellen, dass der Einkauf für diese Herausforderungen gut aufgestellt ist. Ein besonderer Fokus liegt hierbei auf der Auf- und Ablauforganisation, Schnittstellen und den Kernprozessen des Einkaufs. Zudem wird aufgezeigt, wie Massendatenanalysen im Geschäftsprozess „Bedarfsanforderung-bis-Zahlung“ (Procure-to-Pay, P2P), Transparenz schaffen, Prozesskosten senken und das Working Capital optimieren können.

Herausforderungen des Einkaufs

Der Mittelstand sieht sich durch die Internationalisierung der Märkte einer Vielzahl von Herausforderungen gegenüber. Internationale Mitbewerber bearbeiten angestammte Märkte. Der eigene Vertrieb agiert mehr und mehr global. Wettbewerbs- und Kostendruck als auch die Anforderungen an die Compliance nehmen zu. Dies hat unter anderem folgende Auswirkungen auf den Aufbau- und die Prozesse im Einkauf:

  • Mittelständer gründen ausländische Tochtergesellschaften oder kaufen bestehende Unternehmungen. Der Einkauf muss eine zentralere und strategischere Rolle einnehmen.
  • Der operative Einkauf wird zunehmend automatisiert bzw. die reine Beschaffung durch die internen Kunden durchgeführt (z.B. Katalogsysteme und Produktionsdisposition).
  • Der Trend geht weg von Produktanbietern hinzu Lösungsanbietern. Dies heißt für den Einkauf, dass ggfs. komplementäre Dienstleistungen und Handelsware beschafft werden müssen.
  • Compliance-Risiken wie z.B. Korruption, Produkthaftung, Geldwäschegesetz oder Datenschutz erfordern Kenntnisse und Schulungen des Einkaufs.
  • Der Einkäufer avanciert zum internen und externen Schnittstellenmanager und benötigt ein erhöhtes Prozess- und Technik- Verständnis.

Audit des Einkaufs

Um dem Management die Sicherheit zu geben, dass der Einkauf und die implementierten Prozesse und Kontrollen den oben dargelegten Herausforderungen gerecht werden, muss eine Prüfung des Einkaufs sich der Einkaufsabteilung ganzheitlich und auch operativ nähern und nicht nur die typischen Finanzziele und -kontrollen im Geschäftsprozess Procure-to-Pay testen. Dies beinhaltet, dass die Interne Revision die Auf- und Ablauforganisation im internationalem Kontext in den Blick nehmen muss. Dies wiederum bedingt, eine Durchleuchtung des Sourcings und des Lieferantenmanagements. Besondere Bedeutung nimmt auch die Betrachtung von Schnittstellen zur Forschung und Entwicklung, zur Produktion, Logistik als auch zur Kreditorenbuchhaltung und Compliance-Abteilung ein. Diese sollten mehr Naht- als Schnittstellen sein, werden aber traditionell stiefmütterlich behandelt.

Exkurs: Typische Ziele des Einkaufs & der Kreditorenbuchhaltung

  • Lieferantenverträge sind valide, vollständig und genehmigt
  • Einkäufe folgen den vorgegebenen Richtlinien und sind genehmigt
  • Lieferantenstammdaten, Preise und Steuerangaben sind korrekt im Einkaufssystem abgebildet
  • Einkäufe von Waren und Dienstleistungen (inkl. Waren- und Rechnungseingang) sind vollständig, richtig und valide im Einkaufssystem abgebildet
  • Zahlungen sind valide, autorisiert und korrekt im Einkaufssystem abgebildet
  • Haupt- und Nebenbuch sind abgestimmt und identisch
  • Rückstellungen für erbrachte Waren und Leistungen, die noch nicht in Rechnung gestellt wurden, sind vollständig und richtig
  • Stammdatenänderungen sind valide und richtig
  • Funktionstrennungen existieren und sind eingehalten

Im Folgenden wird auf die Prüfgebiete und einige ausgewählte Schwerpunkte kurz eingegangen:

Aufbau- und Ablauforganisation

Von Interesse hierbei ist der organisatorische Aufbau der Einkaufs- als auch der Kreditorenbuchhaltung. Klassische Fragestellungen hierbei sind die Leitungsspanne, Stellenbeschreibungen und Vertretungsregelungen. Je nach Internationalisierungsgrad der Unternehmungsstruktur, aber auch des Beschaffungsmarkts, muss hier geprüft werden, ob der organisatorische Aufbau und die internationale Richtlinien- bzw. Weisungskompetenz sowie die Prozesshoheit für Tochtergesellschaften im In- und Ausland den Anforderungen genügen. Ein weiterer Schwerpunkt ist die Analyse der vorhandenen Richtlinien und Arbeitsanweisungen, insbesondere des Einkaufshandbuchs. Abschließend wird die Qualität des der Einkaufssteuerung und des Einkaufscontrollings (Ausgabenanalysen, Kennzahlen etc.) bewertet.

Compliance

Im Zusammenspiel mit dem Compliance-Beauftragten ist zu untersuchen, wie die Themen Bestechung und Korruption, Datenschutz als auch Geldwäsche durch Richtlinien, Schulungen, Vertragsklauseln etc. abgedeckt sind. Weiterhin muss die Durchführung der Lieferanten-Due-Diligence im Einkaufsbereich betrachtet werden. Diese muss über eine finanzielle Betrachtung hinausgehen und o.g. Aspekte als auch Fragen der Produktqualität abdecken. Zusätzlich ist zu überprüfen, wie interne Compliance mit Einkaufsprozessen gemessen und wie mit Verstößen umgegangen wird.

Sourcing / Einkauf

In diesem Prüfgebiet geht es um den Einkauf im engeren Sinne. Wie ist der Einkauf aufgestellt, um eine professionelle Marktanalyse durchführen zu können, welche Regelungen und Prozesse gibt es, die sicherstellen, dass die qualitativ notwendige Produktqualität zu den besten Konditionen beschafft wird. Ebenso ist von Interesse, ob mit angebotsabgebenden Lieferanten noch verhandelt wird, oder ob der Einkaufsprozess nur auf dem Abruf von Preisen beruht. Ebenso ist von Interesse, wie und ob die Sourcing-Prozesse durch moderne Technologien wie Auktionen und Ausschreibungsplattformen unterstützt wird. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist das Vertragsmanagement. Hierbei ist insbesondere zu prüfen, ob die Verträge gemäß den internen Richtlinien freigezeichnet wurden, ob die Auslauftermine der kritischen Verträge bekannt sind und rechtzeitig in Neuverhandlungen eingestiegen wird.

Lieferantenmanagement

Dieser Bereich beschäftigt sich mit den implementierten Prozessen zur Steuerung der Lieferanten. Es wird geprüft, ob und wie die Lieferanten klassifiziert sind, wie sie bewertet und ggfs. weiterentwickelt werden und ob die etablierten Prozesse stringent durchgeführt werden.

Lieferanten / Kreditorenstammdaten

Gut gepflegte Lieferantenstammdaten sind aus verschiedenen Gründen wichtig. Zum einen ist von Interesse, welcher Prozess etabliert wurde, um sicherzustellen, dass alle Lieferanten zeitnah, vollständig und konzernweit nicht doppelt angelegt werden. Zum anderen ist es wichtig sicherzustellen, dass die Stammdaten vollständig gepflegt sind und wichtige Felder, wie zum Beispiel in SAP die USt-Identifikationsnummer sowie die Einstellung zur doppelten Rechnungsprüfung gepflegt sind. Des Weiteren ist von Bedeutung, dass kritische Stammdatenänderungen nach dem Vieraugenprinzip durchgeführt werden.

Prüfung des Einkaufs im Mittelstand
Quelle: Marc W. Theuerkauf

Procure-to-Pay

Im Procure-to-Pay Teil geht es um die Abläufe und Transaktionen von der Bedarfsanforderung bis zur Zahlung der Rechnungen unter Einhaltung der vereinbarten Zahlungsbedingungen. Dieser Prozess kann papierbasierend, IT gestützt oder in Form von Einkaufkatalogen stattfinden und streckt sich über bis zu vier Abteilungen (Bedarfsmeldende Abteilung, Einkauf, Wareneingang und Kreditorenbuchhaltung). Bei dieser Vielzahl an Schnittstellen, ist es wichtig, dass der Prozessablauf unkompliziert und klar organisiert bzw. geregelt ist und Eskalationsstufen definiert sein. Ansonsten erhöht sich das Risiko, dass Einkäufe am Einkauf vorbei getätigt werden (sogenanntes Maverick Buying).

Rückstellungen / Abgrenzungen

In diesem Bereich muss überprüft werden, welche Kontrollen bestehen, um sicherzustellen, dass die einkaufsbezogenen Rückstellungen vollständig und in angemessener Höhe gebildet sind.

IT-Unterstützung des Einkaufs

In diesem Prüfungsgebiet geht es um die Fragestellung, ob die Einkaufsprozesse ideal durch entsprechende IT Tools (z.B. SAP, Ariba oder Katalogsysteme) unterstützt werden. Zudem ist zu prüfen, ob das Berechtigungskonzept stimmig umgesetzt ist und wichtige Funktionstrennungen implementiert sind.

Wichtige Schnittstellen

Viele deutsche mittelständische Unternehmen sind aufrgund ihrer guten Forschung- und Entwicklung bekannt. Da bereits in der Produktentwicklung die Weichen für zukünftige Kosten und Lieferanten gestellt werden, ist es sehr wichtig, dass der Einkauf von Anfang an eingebunden ist. Ein weiteres Betrachtungsfeld ist die Schnittstelle zur Produktion bzw. Disposition oder dem Wareneingang. Hier findet das Zusammenspiel zwischen Lieferanten und der Unternehmung statt. Die Qualität des Lieferanten muss in die Lieferantenbewertung einfließen.

Massendatenanalysen

Im Rahmen von herkömmlichen Prüfungen werden Feststellungen durch eine Prozessaufnahme und/oder das Testen einer Stichprobe von Transaktionen erlangt. Durch den Einsatz von Massendatenanalysen in den Prüfungsgebieten Stammdaten und Procure-to-Pay kann der gesamte Datenbestand auf Auffälligkeiten hin überprüft werden.

Exkurs: Typische Massendatenanalysen im P2P Prozess

  • Doppelte Kreditoren
  • Kreditoren Anlage ohne Haken „doppelte Rechnungsprüfung“
  • Rechnungen ohne Bestellbezug (ggfs. Maverick Buying)
  • Bestelldatum nach Rechnungsdatum
  • Rechnungsbuchungsdatum weit nach Rechnungsdatum
  • Buchungen zu ungewöhnlichen Zeiten
  • Runde Zahlungsbeträge
  • Doppelzahlungen
  • Skonto
  • Benford-Analysen
  • etc.

Schlussbemerkung

Aus Sicht des Autors kann die Durchführung einer Prüfung des Einkaufs unter der besonderen Berücksichtigung des Geschäftsprozesses „Procure-to-Pay“ einen wesentlichen Beitrag zur Transparenzerhöhung, Geschäftsprozess-verbesserung und Optimierung des Working Capitals beitragen. Der Einsatz von Massendaten-analysen ermöglicht eine Prüfungsaussage über den kompletten Datenbestand hinweg zu tätigen und erhöht somit die Aussagekräftigkeit und Qualität des Audits.

Marc W. Theuerkauf – Internal Audit Services www.internalauditservices.de

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