Erlangen (dapd). Knapp ein Jahr nach dem Insolvenzantrag des Erlanger Solarkraftwerkentwicklers Solar Millennium am 21. Dezember 2011 ist eine finanzielle Entschädigung für die Gläubiger noch immer in weiter Ferne. Zwar konnten einige Firmenbeteiligungen besser als erwartet verkauft werden, wie Insolvenzverwalter Volker Böhm der Nachrichtenagentur dapd erklärt. Falsche Hoffnungen will er aber nicht wecken. „Bei Verfahren dieser Größenordnung dauert es im Durchschnitt fünf Jahre, bis die Gläubiger Geld sehen“, sagt er.
Die Gläubiger, das sind in erster Linie 16.000 Anleger, die sich mit rund 227 Millionen Euro an Solar Millennium beteiligten. Geld, mit dem das Unternehmen solarthermische Kraftwerke bauen wollte – und von dem die Gläubiger bestenfalls etwas mehr als zehn Prozent wiedersehen könnten.
Betroffen von der Firmenpleite sind aber auch etwa 14.000 Aktionäre. Dazu kommen rund 100 Mitarbeiter von Solar Millennium und ihren Töchtern. Ihnen wurde längst gekündigt. Am 1. Februar wurde das Insolvenzverfahren eröffnet.
Schwierige Ausgangslage
„Mit dem bisherigen Verlauf des Verfahrens können wir sehr zufrieden sein“, bilanziert Böhm. Die Situation sei anfangs sehr schwierig gewesen, doch er habe sich über mehrere Monate in das komplizierte Firmengeflecht eingearbeitet, die noch werthaltigen Beteiligungen zum Kauf angeboten und gute Erlöse erzielt. Allerdings gehöre das Verfahren zu den komplexesten Fällen seiner 15-jährigen Karriere als Insolvenzverwalter, sagt Böhm, der unter anderem 2009 den zahlungsunfähigen Porzellanhersteller Rosenthal rettete.
Das Schwierige bei Solar Millennium sei gewesen, dass es keine greifbaren Produkte gebe. „Es gab keine Möglichkeit, einen laufenden Umsatz und Einnahmen zu erzielen, sondern nur auf der ganzen Welt verteilte Projekte“, sagt der 44-Jährige. Diese seien zudem in verschiedenen Stadien gewesen, mit verschiedenen Mitgesellschaftern und zum Teil erheblichen rechtlichen Problemen.
Inzwischen hat Böhm den größten Teil des Unternehmens verwertet: Er fand Käufer für die beiden größten Projekte in den USA (Blythe und Palen), machte die Beteiligung in Spanien (Arenales) zu Geld und erreichte, dass der Essener Industriekonzern Ferrostaal das Joint Venture mit Solar Millennium, die Flagsol GmbH mit 80 Mitarbeitern, vollständig übernahm. Diese Verkäufe spülten Millionen in die Kasse. Baustellen gebe es aber immer noch, sagt Böhm. Etwa zwei US-Töchter von Solar Millennium, für die auch Insolvenz beantragt werden musste.
Und Utz Claassen. Der ehemalige Manager des Energiekonzerns EnBW war zwar nur kurz an Bord von Solar Millennium, hinterließ dort aber tiefe Spuren – wie auch umgekehrt: Nach nur 74 Tagen hatte der heute 49-Jährige im März 2010 sein Amt als Vorstandsvorsitzender des Unternehmens aufgegeben, weil er sich vom Aufsichtsrat unter anderem über die wirtschaftliche Lage der Firma getäuscht fühlte.
Zwei Klagen anhängig
Es folgte ein Zivilprozess vor dem Landgericht Nürnberg-Fürth im September 2011. So sollte auch geklärt werden, ob Claassen seine Antrittsprämie von neun Millionen Euro behalten kann, die Solar Millennium zurück will, und ob er Anspruch auf Entschädigungs- und Abfindungszahlungen von mehr als sieben Millionen Euro hat.
Durch das Insolvenzverfahren liegt der Prozess seit März auf Eis. Claassen rechnet fest damit, recht zu bekommen. „Die Sach- und Rechtslage ist vollkommen eindeutig“, sagt er. Dies hätten zwei Gutachter bestätigt. An seinen Erfolgsaussichten habe die Insolvenz nichts geändert.
Zuversichtlich ist Claassen auch für eine weitere Klage gegen Solar Millennium in den USA. Dort fordert er ebenfalls Schadenersatz – angeblich in Höhe von 265 Millionen Dollar. Bestätigen will der Manager diese Summe nicht. „Ich habe in der eingereichten Klage ausdrücklich keine konkrete Summe gefordert“, sagt er. Die Feststellung des Schadens und der Schadenersatzsumme sei ausschließlich Sache des Gerichts.
Claassen glaubt aber, dass mit einer hohen Summe auch den Gläubigern in Deutschland gedient wäre, würde er doch – nach Abzug der ihm entstandenen Kosten – die Hälfte des erhaltenen Betrags mit den Geschädigten teilen.
„Ich wünsche mir, dass die Geschädigten möglichst umfassend entschädigt werden“, erklärt er. Und dass Lehren und Konsequenzen aus der Misere von Solar Millennium gezogen würden, damit künftig „ökologisch verantwortlichen und vertrauensvollen Aktionären und Anlegern“ vergleichbare Erfahrungen erspart blieben.
Wie auch der Belegschaft. Denn die habe er als hoch engagiert und sehr kompetent in bester Erinnerung, betont Claassen. „Am liebsten vergessen würde ich dagegen meine Erlebnisse mit dem Aufsichtsrat.“