Sie heißen Informanten, Aufdecker oder Whistleblower – Menschen, die Missstände aufdecken. Auch die Mitarbeiter in einem Unternehmen können als sogenannte Enthüller fungieren und Sicherheitsverstöße an ihrem Arbeitsplatz melden. Insbesondere Verstöße gegen das Arbeitsschutzgesetz können betroffenen Betrieben teuer zu stehen kommen. Bußgelder bis zu 30.000 Euro drohen.
Warum Arbeitsschutz in Unternehmen wichtig ist
Das Tempo in der Arbeitswelt nimmt stetig zu – und damit die Unfallgefahr am Arbeitsplatz. Mögliche Unfälle beeinträchtigen nicht nur einzelne Mitarbeiter, sondern können den gesamten Produktionsablauf im Unternehmen stören. Leistungsausfälle und finanzielle Einbußen sind die Folge.
Daher ergibt es für Betriebe jeder Größe Sinn, Fachkräfte für Arbeitssicherheit zurate zu ziehen, um Gefahrenquellen frühzeitig zu erkennen und auszuschalten.
Die Unfallvermeidung steht auf der Liste der menschengerechten Arbeitsbedingungen ganz oben. Das Arbeitsschutzgesetz verpflichtet Unternehmen:
- Gefährdungen für die Gesundheit der Mitarbeiter objektiv zu beurteilen
- über notwendige Schutzmaßnahmen zu entscheiden
- Vorkehrungen für gefährliche Arbeitssituationen oder -bereiche zu treffen
- eine funktionierende Arbeitsschutzorganisation im Betrieb zu integrieren
Ebenfalls obliegt es Unternehmen, die Mitarbeiter bei ihrer jeweiligen Tätigkeit über den Gesundheitsschutz und Sicherheitsmaßnahmen aufzuklären.
Wie wichtig der Arbeitsschutz ist, zeigt ein Blick auf die Arbeitsunfälle im Jahr 2023. Bundesweit wurden rund 783.400 Menschen während ihrer Arbeit verletzt. 2022 kam einer von 100.000 Arbeitnehmern sogar aufgrund eines Arbeitsunfalls zu Tode.
Verstöße gegen das Arbeitsschutzgesetz werden daher streng geahndet. Neben Geldstrafen bis zu 30.000 Euro riskieren Arbeitgeber, dass die entsprechende Arbeit unterbunden wird. Das kann gravierende Unternehmensausfälle bedeuten.
Trotz drohender Strafen passiert es, dass Unternehmen ihrer Pflicht nicht nachkommen und den Arbeitsschutz außer Acht lassen. Meist fehlt das Wissen um eine effiziente Gefahrenvermeidung. Auch fehlgeleitete Sparpolitik oder Ignoranz können dafür verantwortlich sein, dass die Sicherheit am Arbeitsplatz auf der Strecke bleibt. Mitarbeiter müssen sich ein solches Manko nicht gefallen lassen. Sie können den Verstoß gegen den Arbeitsschutz anzeigen.
Hinweisgeber oder Nestbeschmutzer?
Den fehlenden Arbeitsschutz im eigenen Unternehmen zu melden, kann Unfälle vermeiden und sogar Leben retten. Dennoch fürchten Mitarbeiter um ihre Stellung beim Arbeitgeber, wenn sie öffentlich Kritik an diesem üben. Denn in vielen Betrieben gelten Hinweisgeber noch immer als illoyal. Die Meldung von Missständen wird als Anschwärzen oder gar Nestbeschmutzen wahrgenommen.
Dabei soll die EU-Richtlinie zum Schutz von Whistleblowern diese seit ihrem Inkrafttreten 2019 vor Schaden bewahren. Ein Mitarbeiter, der sich aufgrund des mangelnden Arbeitsschutzes im Unternehmen beschwert, darf weder abgemahnt noch versetzt oder gekündigt werden. Grundsätzlich dürfen nach einem Hinweis auf Missstände keine negativen Folgen auf den Mitarbeiter zukommen.
Dennoch schrecken Arbeitnehmer davor zurück, fehlenden Arbeitsschutz am Arbeitsplatz anzuprangern, weil sie:
- sich selbst als „Verräter“ wahrnehmen
- Reaktionen der Vorgesetzten und Kollegen fürchten
- das Stigma, das auf das vermeintlich illoyale Verhalten folgt, vermeiden wollen
Allerdings ist eine berechtigte Meldung von Missständen Pflicht – auch für Leiharbeiter. Wer sich unwohl fühlt oder um seinen Arbeitsplatz bangt, darf anonym vorgehen.
Wann eine Beschwerde gegen den Arbeitgeber doch zur Kündigung führt
Weisen Mitarbeiter wahrheitsgemäß auf Missstände im Unternehmen hin, drohen ihnen zumindest beruflich keine Konsequenzen. Das setzt jedoch voraus, dass die Beschwerde konkreten Anhaltspunkten unterliegt.
Sie darf weder wahrheitswidrig noch willkürlich erfolgen. Arbeitnehmer, die aus niederen Beweggründen handeln – beispielsweise um ihrem Arbeitnehmer Schaden zuzufügen – müssen mit Strafen rechnen. Auf sie können neben der Kündigung Schadensersatzansprüche zukommen.
Wie können Arbeitnehmer Verstöße gegen den Arbeitsschutz melden?
Stellen Mitarbeiter fest, dass in ihrem Unternehmen Mängel hinsichtlich des Arbeitsschutzes herrschen, wenden sie sich zuerst an ihren Arbeitgeber. Sie können diesen schriftlich auffordern, seine im Arbeitsschutzgesetz festgehaltenen Pflichten zu erfüllen.
Wer nicht direkt an den obersten Vorgesetzten schreiben möchte, richtet seine Beschwerde an den Betriebsrat oder die im Betrieb zuständige Fachkraft für Arbeitssicherheit.
Bis der Arbeitgeber den Missstand behebt, kann der Hinweisgeber von seinem „Zurückbehaltungsrecht“ Gebrauch machen. Laut diesem steht es ihm zu, seine Leistung zu verweigern, bis ihm sein Arbeitsplatz in rechtlich vorgeschriebener Form zur Verfügung steht. Während dieser Ausfallzeit muss der Lohn weiterhin gezahlt werden.
Eine Niederlegung der Arbeit ist für Arbeitnehmer allerdings nur dann möglich, wenn ein schwerwiegender Verstoß gegen den Arbeitsschutz vorliegt. Dazu gehören:
- mangelhafte Fluchtwege und Notausgänge im Unternehmen
- fehlende Standsicherheit bei höhergelegenen Arbeitsplätzen
- ungeeignete Verkehrswege
Ebenso handelt es sich um einen gravierenden Mangel, wenn Beschäftigte nicht in potenziell gefährliche Tätigkeiten eingewiesen wurden.
Denken Arbeitnehmer darüber nach, aufgrund von Sicherheitsbedenken die Arbeit zu verweigern, sollten sie stets verhältnismäßig vorgehen. Je größer die Gefährdung am Arbeitsplatz ist, desto eher darf die Arbeitsleistung bis zur Behebung der Missstände zurückgehalten werden.
Was geschieht, wenn der Arbeitgeber die Beschwerde ignoriert?
Bleiben Verstöße gegen den Arbeitsschutz trotz Hinweise an den Arbeitgeber bestehen, können sich Mitarbeiter an externe Stellen wenden.
Wichtig ist, dass sie diese erst dann kontaktieren, wenn sie ihrem Unternehmen die Chance auf eine Reaktion geben. Denn Arbeitnehmer unterliegen der Loyalitätspflicht gegenüber dem Arbeitgeber. Das bedeutet, sie müssen dessen Interessen im Dienst und außerdienstlich wahren.
Ignoriert das Unternehmen seine Pflicht, dem Arbeitsschutzgesetz nachzukommen, können Mitarbeiter den Missstand melden. Ihre Beschwerde richten sie an:
- das zuständige Gewerbeaufsichtsamt
- das zuständige Landesamt für Arbeitsschutz
- den Technischen Aufsichtsdienst der entsprechenden Berufsgenossenschaft
Diese Stellen können den Arbeitgeber mit der Androhung von Sanktionen unter Druck setzen, sodass dieser die Arbeitsschutzbestimmungen einhält.