Währungswächter erhält Aachener Karlspreis
Jean-Claude Trichet wird zum Ende seiner Amtszeit als Chef der Europäischen Zentralbank geehrt
Aachen. Es muss nicht immer Griechenland sein. Wenn der scheidende Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB), Jean-Claude Trichet, in diesen Tagen zu einer Dienstreise aufbricht, steht meist die Sorge um den kriselnden Euro auf der Tagesordnung. Am Donnerstag wartet in Aachen allerdings ein wesentlich angenehmerer Termin auf den Franzosen. An historischer Stätte wird Trichet mit dem renommierten Karlspreis ausgezeichnet.
Das Karlspreis-Direktorium würdigt damit den Einsatz Trichets für einen stabilen Euro und den Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit des Europäischen Binnenmarktes. Die Verleihung setze „das Signal, die Europäische Währungsunion und einen stabilen Euro existenziell zu sichern“, hieß es zur Begründung. Im Ergebnis sei der Euro eine Erfolgsgeschichte. Die Auswirkungen der Finanzkrise wären ohne Währungsunion und ohne die Europäische Zentralbank weit dramatischer gewesen.
Seit 2003 steht Trichet an der Spitze der EZB. Die Auszeichnung in Aachen rundet seine Amtszeit ab, die im Herbst nach acht Jahren turnusgemäß zu Ende geht.
Geboren am 20. Dezember 1942 in Lyon, machte Trichet Hochschulabschlüsse in Politik, Ingenieurs- und Wirtschaftswissenschaften. Er durchlief die Kaderschmiede für Verwaltung ENA. Danach ging er in die Finanzpolitik, bis er 1993 den Chefsessel der französischen Notenbank übernahm. Er drückte die Inflationsrate und förderte Privatisierungen in Frankreich.
Allerdings geriet Trichet dabei auch in die Mühlen der Justiz: Die französische Staatsanwaltschaft erhob 2003 Anklage gegen ihn wegen seiner Rolle bei der fehlgeschlagenen Expansion der Staatsbank Crédit Lyonnais im Jahr 1993. Kurz nach Prozessbeginn wurde Trichet aber vom Vorwurf der Falschaussage freigesprochen. Damit war der Weg frei: Im Oktober 2003 wurde Trichet für acht Jahre zum neuen EZB-Chef ernannt.
Die Preisverleihung an ihn steht auch für ein Stück Kontinuität. Bereits 2002 war der Euro selbst mit dem Karlspreis ausgezeichnet worden – die Ehrung hatte der damalige EZB-Präsident Wim Duisenberg in Empfang genommen. Damals wurde die europäische Einheitswährung als „epochemachender Beitrag“ zum Zusammenwachsen der Völker in Europa gewürdigt.
Trichet setzte Duisenbergs geldpolitischen Kurs weitgehend fort. Vehement bemühte er sich, die Zahlungsunfähigkeit Griechenlands abzuwenden. Und er wird nicht müde, vor den Gefahren für die europäische Währung zu warnen: „Wir benötigen dringend eine wirksame und verlässliche Regierungsführung, die sich nach gemeinsamen wirtschaftlichen Zielen richtet“, sagte er noch am Wochenende in einem Interview.
Sanktionen für Europas Defizitsünder müssten automatisch erfolgen: „Das gesamte Verfahren von der Feststellung einer drohenden Haushaltsschieflage bis zur tatsächlichen Verhängung von Strafen muss automatisch ablaufen.“
Trichets Nachfolger wird vermutlich der italienische Notenbankchef Mario Draghi, der von den Euro-Ländern unterstützt wird und auf dem EU-Gipfel am 24. Juni offiziell berufen werden soll.
Ob sich Jean-Claude Trichet dann ins Privatleben zurückzieht und seiner Leidenschaft für Literatur frönt, steht noch nicht fest. Immerhin war der 67-Jährige zeitweise auch als Nachfolger seines Landsmannes Dominique Strauss-Kahn gehandelt worden, der als Chef des Internationalen Währungsfonds über eine Sex-Affäre stolperte.