Cuxhaven (ots) – Seit genau zehn Jahren darf seemännischer Nachwuchs auch an Bord von Schleppern zum „Schiffsmechaniker“ ausgebildet werden – und das geschieht nach einem einzigartigen Kooperationsmodell: Fünf Schleppreedereien arbeiten zusammen und haben bisher 163 junge Leute durch die etwa dreijährige Ausbildung zum erfolgreichen Abschluss begleitet. Dieses Jubiläum war heute an Bord des Notschleppers „Nordic“ in Cuxhaven Anlass für eine kleine Feierstunde, an der auch der Schirmherr dieses Ausbildungsmodells, der Bremerhavener Bundestagsabgeordnete Uwe Beckmeyer, teilgenommen hat: Klar, dass der SPD-Mann der Ausbildungsgemeinschaft auch für die Zukunft seine Unterstützung zusagte.
Erst eine Gesetzesänderung machte es seinerzeit möglich, die bis dahin aus Sicherheitsgründen untersagte Schiffsmechaniker-Ausbildung auch auf Schleppern zu starten. Weil aber diese Sicherheitserwägungen nach wie vor nicht unbegründet sind, entwickelte die Bugsier-, Reederei- und Bergungs-Gesellschaft (BUGSIER) ein besonderes Konzept, dem sich inzwischen vier weitere Schleppreedereien angeschlossen und so eine Ausbildungsgemeinschaft gegründet haben: Die Auszubildenden absolvieren ihren ersten Praxisblock an Bord des Notschleppers „Nordic“, der dafür eigens Räumlichkeiten und Einrichtungen erhalten hat. Und erst im späteren Verlauf der Ausbildung dürfen die dann schon angelernten jungen Seeleute auf anderen Schleppern weitere Erfahrungen sammeln.
Die von der Bundesregierung gecharterte „Nordic“ verfügt über ein eigenes „Ausbildungsdeck“, das den Auszubildenden nicht nur wohnliche Doppelkammern mit Etagen-Kojen, Sitzecke und Schreibtisch bietet, sondern auch eine großzügige Lehrwerkstatt, verschiedene Sondereinrichtungen wie etwa einen Schweißplatz sowie ein „schwimmendes Klassenzimmer“. Bis zu zehn Auszubildende plus Ausbildungsleiter können zusätzlich zur 16-köpfigen Notschlepper-Stammbesatzung an Bord untergebracht werden. „Sogar die Brücke unseres Notschleppers ist so konzipiert, dass sie für die Ausbildung besonders gut geeignet ist“, erläutert Ausbildungskapitän Jens Münzer: „Hier können Radarbeobachtung, Arbeit an der Seekarte und andere Wacharbeiten intensiv geübt werden.“ Die Notschlepper-Stammbesatzung aus besonders erfahrenen, hochqualifizierten Seeleuten gibt ihr Wissen und Können gerne an die jungen Kollegen weiter.
Die Ausbildung zum Schiffsmechaniker dauert etwa drei Jahre. Nach dem ersten Berufsschulblock an der Seemannsschule in Travemünde fahren die angehenden Schiffsmechaniker zunächst in Gruppen mehrere Monate auf der „Nordic“. Erst nach dem zweiten Schulzeitblock und bestandener Zwischenprüfung werden sie dann auf den deutlich kleineren See- und Hafenschleppern sowie anderen Spezialschiffen ihrer Reedereien eingesetzt und weiter qualifiziert.
An der Ausbildungsgemeinschaft beteiligt sind
– die Emder Schlepp-Betrieb GmbH (ESB), Emden,
– die Fairplay Schleppdampfschiffs-Reederei Richard Borchard
(FAIRPLAY), Hamburg / Rostock,
– die Petersen + Alpers GmbH & Co. KG (P & A), Hamburg,
– die Unterweser Reederei GmbH (URAG), Bremen / Bremerhaven
sowie
– die initiierende Bugsier-, Reederei- und Bergungs-Gesellschaft
(BUGSIER), Hamburg.
„Wir sind nach zwei Großreedereien der drittgrößte Ausbildungsbetrieb
unter deutscher Flagge“, so Münzer. 48 junge Menschen betreut er
zurzeit, bis zu zwei Gruppen mit jeweils zehn Berufsanfängern kann
die Ausbildungsgemeinschaft jedes Jahr einstellen. „Mehr können wir
mit nur einem Ausbildungsschiff nicht leisten“, stellt Münzer fest;
der 36 Jahre alte Kapitän fährt seit 2007 bei der BUGSIER und leitet
die Ausbildung seit 2013. Insgesamt 163 Schiffsmechaniker haben
bisher ihren Abschluss nach diesem Modell erworben, vier von ihnen
sogar mit Auszeichnung; viele von ihnen haben sich anschließend mit
einem Studium der Schiffsbetriebstechnik oder der Nautik
weiterqualifiziert.
„Durch ihren Zusammenschluss haben diese fünf mittelständischen
Reedereien nicht nur ihre eigenen Ausbildungsmöglichkeiten
verbessert, sondern auch zusätzliche Ausbildungsplätze geschaffen“,
lobte Schirmherr Uwe Beckmeyer anlässlich der Jubiläumsfeier an Bord
der „Nordic“ und hob besonders die Nutzung des von der
Bundesregierung gecharterten Notschleppers hervor: „Die beteiligten
Reedereien erfüllen nicht nur ihren vereinbarten staatlichen Auftrag,
sondern haben darüber hinaus ein vorbildliches Ausbildungsschiff
geschaffen.“
„Als inhabergeführte Reederei ist es uns wichtig, junge Menschen
nicht nur besonders gut zu qualifizieren, sondern sie nach der
Ausbildung auch weiter zu beschäftigen“, betonte
BUGSIER-Geschäftsführer Hajo Schuchmann in seiner Antwort auf
Beckmeyer: „Wir haben deshalb nicht nur 64 Auszubildende, sondern
auch alle 22 Nautiker und 16 Techniker, die anschließend studiert
haben, in feste Arbeitsverhältnisse übernommen“. Schon heute bilden
die beteiligten Reedereien aber über ihren Eigenbedarf hinaus aus.
„Schiffsmechaniker haben einen Beruf mit Zukunft“, macht Schuchmann
deutlich. Neben dem weltweiten Einsatz an Bord großer Frachter oder
auf den Arbeitsschiffen an der deutschen Küste benötigt auch die sich
entwickelnde Offshore-Industrie qualifiziertes Personal für die
Errichtung und den Betrieb ihrer Windparks.
Aus Sicht des Bremerhavener Bundestagsabgeordneten Uwe Beckmeyer ist
die Ausbildungsgemeinschaft Vorbild für andere mittelständische
Reedereien. Zurzeit prüft die Ausbildungsgemeinschaft, so
BUGSIER-Geschäftsführer Schuchmann, ob sie zusätzliche
Ausbildungsplätze für ausländische Jugendliche aus Südeuropa
bereitstellen kann – zum Beispiel aus Spanien, das unter hoher
Jugendarbeitslosigkeit leidet. Das aber bedarf der Unterstützung
seitens der Bundesregierung.