Berlin – Öffentliche Großbaustellen und private Bauvorhaben können unterschiedlicher kaum sein. Gemein ist ihnen jedoch die Leistungsbeschreibung als Grundlage für das Bau-Soll, also der Beschaffenheit des fertigen Objekts. Dabei kommt es immer wieder zu Unstimmigkeiten. Das gerade verabschiedete neue Bauvertragsrecht soll das ändern. Allerdings gilt es erst ab 2018. „Bis dahin müssen wir uns weiterhin mit den bisherigen Regelungen behelfen, die immer wieder zu Streitigkeiten führen“, sagt Rechtsanwalt Roger Wintzer, Mitglied in der Arbeitsgemeinschaft für Bau- und Architektenrecht (ARGE Baurecht) im Deutschen Anwaltverein. „Schuld daran sind unklare oder widersprüchliche Formulierungen, lückenhafte Darstellungen, schlicht technische Fehler oder Regelungen und Ausschlüsse, deren Bedeutung der Laie ohne Bauerfahrung nicht einordnen kann“, erläutert der Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht. Er rät dazu, alles daran zu setzen, die Leistungsbeschreibung so präzise wie möglich zu formulieren – was aufgrund der komplexen Materie jedoch gar nicht so einfach sei.
Exakt, zweifwelsfrei, vollständig
Die Leistungsbeschreibung ist das Kernstück jedes Bauvorhabens. Sie kann detailliert oder funktional erfolgen. Werden die Leistungen detailliert beschrieben, sollten alle Einzelleistungen exakt, zweifelsfrei und vollständig fixiert sein. Auch Baunebenleistungen wie etwa die Absicherung der Baustelle oder der Anschluss an die Wasserversorgung gehören dazu. Grundlage ist immer die Ausführungsplanung des Architekten. Entscheidend ist jedoch, ob der Architekt vom Bauherrn beauftragt wurde und ihm gegenüber haftet oder ob die Planung vom Bauunternehmen geliefert wird und in dessen Interesse gestaltet ist. Denn „was die detaillierte Leistungsbeschreibung nicht enthält, kostet im Nachhinein extra Zeit und Geld“, betont Wintzer.
Ebenso möglich ist eine funktionale Bestimmung des Bau-Solls, also z. B. ein schlüsselfertiges 3-Sterne-Hotel mit einem näheren Anforderungskatalog. Das Bau-Soll ist dann erfüllt, wenn am Ende ein solches Gebäude funktionsfähig dasteht und alle geregelten Anforderungen erfüllt. „In der Praxis finden sich oft Mischformen dieser Varianten, für praxisgerechte und effiziente Leistungsbestimmungen“, sagt Wintzer und spricht damit eine weitere Problemquelle an. „Je größer der Interpretationsspielraum ein einer Leistungsbeschreibungen desto wahrscheinlicher sind Streitigkeiten. „Fast immer geht es um zusätzliche oder geänderte Bauleistungen die Bauzeit und -kosten erhöhen oder auch Mängelansprüche des Auftraggebers“, so Wintzer.
Uneinheitliche Rechtsprechung
Nicht selten landen Unstimmigkeiten zwischen Bau-Soll und -Ist vor Gericht. Dessen Entscheidungen seien Wintzer zufolge jedoch schwer vorherzusehen, da sie oft auf Aussagen eines Sachverständigen basieren, dem die Befugnis und die notwendigen Rechtskenntnisse für eine sachgerechte Beurteilung fehlen.
„Daher empfehle ich dringend, mehr Sorgfalt auf die Leistungsbestimmung zu verwenden, um vorprogrammierte Streitigkeiten mit unkalkulierbarem Ausgang zu vermeiden“, betont Wintzer. In einem Rechtsstreit spielen ausgefeilte Vertragsklauseln meist keine entscheidende Rolle. Dreh-und Angelpunkt ist die (technische) Bestimmung der vereinbarten Leistung als geschuldeter Erfolg. Diese sollte im Rahmen der Vertragsprüfung kritisch hinterfragt und im Interesse beider Vertragsparteien frühzeitig geklärt werden. „Vor Vertragsschluss ist das wesentlich einfacher, da nicht der Eindruck der Übervorteilung entstehen kann und noch keine konkreten Mehrkosten im Raum stehen“, so Wintzer-. Aber auch im laufenden Bauvorhaben sind ein konstruktiver Umgang und das Bemühen um eine faire Lösung beiden Parteien zu empfehlen. Die Alternative sind zusätzliche Kosten und ein langwieriges gerichtliches „Pokerspiel“ um Vergütungs- und Schadensatzansprüche, das für wirtschaftlich orientierte Unternehmen und Verbraucher nicht erstrebenswert sein kann.
Quelle: ARGE Baurecht/Deutscher Anwaltverein